Weg in der Nacht.
„Vertrau mir, bitte, vertrau mir!“
Seine Stimme klang flehend, beinahe verzweifelt und sein Blick, immer
suchend nach den Augen, die ihn nicht anblicken wollten. „Wir sind
schon so weit gegangen. Das letzte Stück, dieses kleine letzte
Stück, das schaffen wir jetzt auch noch.“ Stille. Die Worte
gesprochen in die Dunkelheit und Schwärze der Nacht, die sie umgab.
Und dann die Antwort. Eine Stimme, viel lauter als erwartet, viel
durchdringender und schriller als es die Umgebung erlaubte. „Nein!“
Und immer wieder: „Nein!“ Er seufzte. So tief und aus ganzer Seele und er kannte keine Geste, kein Wort, keine Handlung die mehr
hätte ausdrücken können, wie er sich fühlte, als dieses tiefe
Seufzen. Er sammelte alle seine Kraft, um wieder das zu fragen, was
er schon gefühlte tausendmal gefragt hatte. Die Frage, auf die er
keine befriedigende Antwort bekam. Die Antwort, die jedes Mal das Gleiche sagte, und die er sogar verstehen, ja, wirklich verstehen und
nachempfinden konnte. Und dennoch wollte er es nicht mehr hören,
denn er hatte keine Argumente, keine Überzeugungspunkte. Nur
Phrasen. Er wollte die Antwort nicht hören. Aber er fragte: "Warum?"
Und kaum stand das Wort zwischen ihnen in der schwarzen Nacht, genauso unsichtbar wie sie selbst und alles um sie
herum, prasselte die Antwort, die Antworten auf ihn ein. Wie schon
tausendmal zuvor. „Warum? Weil ich nicht mehr kann. Weil ich nicht
weiß was kommt. Alles ist schwarz. Was ist wenn jemand uns angreift.
Was ist wenn wir nicht stark genung sind. Wenn wir uns nicht
verteidigen können. Was ist denn hinter der Schwärze. Was soll da
tolles kommen. Wir können genauso gut zurück gehen oder für immer
hier bleiben. Nicht vor und nicht zurück. Hoffen, dass die Zeit
stehen bleibt. Uns klein machen und den Rest der Welt ignorieren.
Aber ja nicht weiter gehen. Wer sagt uns denn, dass wir danach die
Sonne sehen werden?“ „Jeder.“, entgegnete er leise. „Jeder
sagt, dass nach diesem kleinen Stück der Dunkelheit die Sonne kommt.
Es warm wird. Wir sehen wo wir hintreten. Wir die Welt sehen.“ Er
wusste, dass er mit diesen Worten nichts ausrichten konnte – er
hatte es oft genug versucht. Sein kleines, lautes Gegenüber war von
seinem Standpunkt, der Aussichtslosigkeit und der Erschöpfung
überzeugt. Und er konnte es verstehen. Schließlich sah er auch
nichts. Nichts außer Dunkelheit. Kein Schimmer, keine Ahnung, keine
Hoffnung auf Licht. Wärme. Ankommen. Sondern nur schwarz. Und doch
wusste er, es kommt. Es wird kommen. Es muss kommen. Und er wusste
es. Und auch wenn er es nicht fühlte, so glaubte er es trotzdem,
weil er es wusste. „Vertrau mir doch einfach. Und lass uns weiter
gehen.“ Er hörte wie das kleine etwas wieder tief Luft hohle. Er
erahnte erneute Zweifelschwalle. Es hatte keinen Zweck und der
Entschluss stand ihm klar vor Augen. Er bückte sich, tastete
zielsicher in die Dunkelheit und ergriff das Herz, das zeterte und
jaulte, nicht wollte, nicht konnte, verängstigt war von aller
Schwärze die seit Tagen oder Wochen um sie herum herrschte. Er
wusste, was das Herz nicht wusste, nicht mehr glauben konnte oder
wollte. Warum auch immer. Es war seine Aufgabe, es dadurch zu tragen.
Sich nicht mehr aufhalten zu lassen. Auf das Ziel zuzustreben. Zu
Laufen. Endlich Ankommen. Ins Licht. Und deshalb nahm er das Herz in
seine rauen Hände hielt es fest und machte sich auf in die Nacht.
Der Verstand, der weitergeht, weil er weiß, dass es weiter geht. Der
weiß, dass Licht kommen wird. Auch wenn das Herz es nicht mehr
glaubt.
Danke fürs Lesen.
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