Finish up!
Stell
dir vor, du arbeitest an irgendeinem Projekt, das du gerne machst.
Das muss noch nicht mal besonders ernstlich sein, kann es aber: Du
liest ein gutes Buch, du schreibst deine Masterarbeit, du bastelst
etwas, du gewöhnst dir etwas an oder ab. Was auch immer. Stell dir
vor, dass du gut voran kommst und schon über die Hälfte geschafft
hast! Du kannst dir schon vorstellen, wie du das Projekt beendest,
wenn es etwas praktisches ist, wie es ausschauen wird. Und dann, kurz
vor Schluss, hast du plötzlich keine Lust mehr. Das Projekt, dass
dir Freude bereitet hat und/oder so wichtig war, liegt plötzlich
völlig unattraktiv in der Ecke und du machst alles – nur nicht das
Projekt zu Ende.
Klingt
komisch? Ich beobachte dieses Phänomen bei mir und bei Menschen um
mich herum immer häufiger. Man macht irgendetwas und hat vielleicht
sogar Erfolg, übersteht die Anfangsphase, kämpft sich durch das
Durchhalten und die Ziellinie ist endlich sichtbar und plötzlich ist
alle Motivation raus. Andere Dinge sind wichtiger. Es scheint
plötzlich nicht mehr wichtig, dass Ziel zu erreichen. Der Weg ist
scheinbar doch das Ziel und das Ziel ein Ende.
Ich
glaube, hier liegt oft das Problem: Das Ziel sieht aus wie ein Ende.
Wie geht es weiter? Was ist mein nächstes Projekt, mein nächstes
Buch, meine neue Herausforderung, mein nächster Lebensabschnitt? Was
ist, wenn ich erreiche, was ich will und ich merke, dass es doch noch
weiter geht? Dass ich mit dem Erreichen des Ziels entweder doch nicht
die Zufriedenheit erreicht habe, die ich mir erwünsche oder aber
neue Herausforderungen kommen, denen ich mich (wieder) nicht
gewachsen sehe?
Manchmal
scheint es leichter, „immer so weiter zu machen“, auch wenn das
eigentlich ermüdend und langweilig ist. Manchmal ist der Anblick des
Ziels aber auch ein Bewusstwerden der bisherigen Leistung, der Kraft
und Zeit die man investiert hat (wie gesagt, nicht alles ist
gleichermaßen ernstlich). Und vielleicht fühlt man sich genau dann
müde und motivationslos, weil man doch schon so vieles geschafft
hat.
Und
ja: Es ist toll zu sehen, was man schon geschafft hat! Aber 3/4 sind
eben nicht ein Ganzes. Und etwas zu beenden, etwas zu komplettieren,
zu erreichen, was man sich vorgenommen hat – das ist die Kunst. Es
ist eine Kunst, anzufangen und den werten Hintern hochzubekommen. Es
ist eine Kunst, durchzuhalten und nicht aufzugeben. Aber es ist auch
eine Kunst, abzuschließen und zu Ende zu bringen.
Denn
eigentlich funktioniert das Leben so: Es geht weiter. Wenn du ein
Projekt abschließt, dann geht es weiter. Das ist nicht doof, sondern
immer eine Chance. Du bist schon so weit gekommen, warum jetzt so
tun, als sei das Ziel nichts wert? Ein nicht erreichtes Ziel ist kein
Weltuntergang, aber es ist auch nicht das, wofür du das Ziel gesetzt
hast! Ziele sind da, um erreicht zu werden und nicht nur zur
Motivation, um überhaupt anzufangen. Limonade gibt’s nach der
Zielgraden! Also mach weiter und hör auf, aufzugeben. Egal wann.
Auf
baldigst.
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