Apologize.

Jemanden für etwas um Entschuldigung bitten gehört in unserer Kultur eigentlich zum guten Ton. Die Worte „Tut mir leid“ oder zu Neudeutsch „Sorry“ gehen uns oft schnell von den Lippen. Manchmal sogar zu schnell und zu oft. „Tut mir leid, dass ich zu spät komme.“ oder „Sorry, ich schaff's heute nicht.“ gehören in der täglichen Kommunikation zum Standartrepertoire. Wenn wir jemanden im Weg stehen oder versehentlich berühren flutscht uns fast automatisch ein „Verzeihung!“ über die Lippen. Allein der Beginn eines Gesprächs beginnt oft mit einer Entschuldigung: „Entschuldigung, darf ich dich kurz stören?“ und wenn wir versuchen zu unserer Meinung zu stehen sagen wir: „Sorry, aber das ist meine Meinung.“
Wir sind darauf trainiert für alle Banalitäten des Lebens eine Entschuldigung parat zu haben. 
 
Doch es gibt den Fall, in dem uns eine Entschuldigung mehr Kraft und Überwindung kostet als alles andere: Wenn wir einen Fehler eingestehen müssen. Und damit meine ich nicht etwas, was eh nicht weiter von belang ist, sondern die Art der Entschuldigung, die uns selbst weh tut. Beziehungsweise leidet vor allem unser Stolz. Wenn wir etwas aus Überzeugung oder auch Unüberlegtheit tun, ohne das man sich selbst im Unrecht fühlt und erst im Nachhinein oder durch die Reaktion des Gegenübers merkt, dass man sich falsch verhalten hat, dann ist es nicht so einfach ein „Sorry“ über die Lippen zu bringen. Dann suchen wir Ausflüchte, fangen an uns zu verteidigen, gehen dem anderen aus dem Weg, fangen an schlecht über ihn zu reden und haben am Ende das größte Drama. Nur weil man nicht vor dem anderen eingestehen will, dass man Fehler gemacht hat ohne dabei selbst gut dastehen zu können. Eine Entschuldigung, dem kein „aber“ folgt ist furchtbar selten, weil furchtbar schwer. Wir haben ja schließlich ein Recht auf unser Tun, Denken und vor allem Fühlen. Oder?

Ich glaube, Ehrlichkeit ist das wichtigste in der Zwischenmenschlichkeit. Und dazu gehört auch, dass man ehrlich und sichtbar eingesteht, dass man Fehler macht.
In einem bekannten Lied heißt es „It's too late to apologize.“ Das ist schlichtweg eine Lüge. Eine Entschuldigung kann niemals zu spät kommen. Selbst wenn die Person, bei der man sich entschuldigen soll oder will, bereits nicht mehr auf dieser Erde weilt, bringt es etwas, sich zu entschuldigen. Bei der Person in Gedanken oder bei Angehörigen. Und auch wenn Beziehungen zerbrochen und Kontakte abgebrochen sind, ist eine Entschuldigung das Einzige, was Frieden bringen und Brücken bauen kann.
Ich glaube nicht, dass eine Entschuldigung alles wieder gut macht. Beim besten Willen nicht. Manchmal braucht es mehrere Eingeständnisse des Verfehlens und oft muss man Vertrauen neu aufbauen, damit Beziehungen eine Chance haben (neu) zu wachsen.
Auch dreht eine Entschuldigung nicht die Zeit zurück, man muss an sich arbeiten, verstehen lernen, reflektieren, neu anfangen.
Aber erst wenn wir lernen einzugestehen, dass wir nicht perfekt sind und dass wir Fehler machen, zu denen wir stehen müssen, kommen wir näher aneinander. 
 
Jedes Verzeihen durchbricht den Kreislauf des Bösen.
Kyrilla Spiecker

Danke fürs Lesen

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