Bevor das Herz reißt.

„Ein Junge weint nicht, ein Junge beißt sich auf die Zunge, auch wenn das Herz reißt.“

Diese Liedzeile stammt von dem ostdeutschen Liedermacher Gerhard Schöne, den ich sehr schätze, und diese Zeile ist mir in den vergangenen Tagen wieder in den Sinn gekommen. Ich weiß noch, als ich dieses Lied damals die ersten Male gehört habe, vor sagen wir mal zehn bis zwölf Jahren, war mir diese Zeile unbegreiflich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Menschen, egal ob männlich oder weiblich, ihr Emotionen unterdrücken, obwohl sie doch eigentlich anders fühlen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man nicht weint, wenn es einem danach ist, nur weil man das so gesagt bekommt.
Ja, ich bin ein sehr emotionaler Mensch und ich habe bereits jetzt schon gelernt, dass man in der einen oder anderen Situation etwas runterschluckt und sich zusammenreißt. Ich habe auch gelernt, dass man sich nicht von seinen Emotionen beherrschen und immerzu leiten lassen sollte. Denn ein ruhigerVerstand ist manchmal wichtiger, als ein aufgewühltes Meer an wirren Gefühlen.

Und dennoch: Ich glaube, manchmal ist es gut, zu weinen. Wenn man das Gefühl hat, dass das Herz gleich zerreißt, sollte man vielleicht lieber mal weinen, anstatt es wirklich reißen zu lassen. Denn was haben wir davon trockene Wangen zu haben, aber dafür ein zerrissenes Herz?

Leider habe ich mich selbst dabei ertappt, wie ich mir auf die Zunge biss, obwohl alle „Rahmenbedingungen“ zum Weinen gegeben waren. Aber ich dachte mir: „Ach, deswegen musst du doch jetzt nicht heulen. Wie sieht das denn aus?“

Manchmal frag ich mich, ob wir in unserer Gesellschaft Angst vor echten Tränen haben und ihren Wert nicht mehr zu schätzen wissen? Und das frage ich nicht polemisch in die Runde, sondern das frage ich mich in meinem Herzen. Denn anscheinend habe ich, bei allem was ich dazu gelernt habe, auch irgendetwas verlernt.

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