An dich.

Ein tiefer Donner grollt irgendwo herum. Das Tageslicht ist so dunkel, als hätte wer vergessen das Licht auszumachen. Und du sitzt auf dem Sofa, in deiner Jogginghose und dem alten Tshirt. Dienstagnachmittag, halb vier. Was hast du heute schon geschafft? Den Weg aus dem Bett hast du gefunden, irgendwann nach elf. Dabei wolltest du doch heute so unglaublich kreativ und produktiv sein. Immerhin hat es zu einem Instagrambild von deinem Frühstücksbrot gereicht. Brie auf Körnerbrot mit einer Preiselbeere obendrauf. Superkreativ. Lustlos runtergeschluckt. Wolltest du heute nicht die Welt retten? Ach nein. Es regnet. Und es gibt ja genug andere Menschen, die das für dich tun. Also natürlich nicht für dich. Denn jeder kämpft allein. Aber es gibt genug andere, die diesen Job machen, das mit dem Welt retten. Im Fernsehen kannst du sie sehen. Aber du guckst ja kein Fernsehen mehr. Weil da nur hirnloser Schmalz läuft. Du guckst Internet. WEB.DE-Kurzvideos. Oder Youtube. Ist ja auch viel kreativer und individueller. Und die retten auch irgendwie die Welt. Auch wenn sie nur dafür sorgen, dass du den ganzen Tag vor deinem Laptop hängst und nicht rausgehst um irgendwas zu tun. Zum Beispiel die Welt zu retten. Vielleicht retten sie dich damit, es nicht zu tun. Schließlich regnet es und deinen Schirm hast du letztens auf einer Party liegen lassen. Und außerdem ist die Welt eh schlecht. Da gibt’s nicht mehr viel zu retten, wenn alles verloren ist. Dann guck dir lieber noch ein Katzenvideo an. Und während du da sitzt und dein fünften Cappuccino an diesem Tag trinkst und immer noch nicht merkst, dass es nicht dazu führt, dich zu irgendetwas zu bewegen, fällt dir ein, dass du doch eigentlich schon Ewigkeiten XY eine Mail schreiben wolltest, oder sogar anrufen. So ein Mist aber auch, dass XY kein WhatsApp hat. Das wäre wesentlich bequemer und wesentlich kürzer von der Meldezeit. Ein bisschen mehr Spielraum als eine SMS, aber tiefgründige Gespräche führt man über WhatsApp doch nicht wirklich. Also XY hat kein WhatsApp. Und eine Email ist zu anstrengend. Von einem Anruf ganz zu schweigen. Was willst du XY auch sagen: „Hey, ich sitze seit heute morgen um elf auf dem Sofa, ertränke mich in Cappuccino und Selbstmitleid und gucke Katzenvideos. Jetzt dachte ich, ich ruf dich mal an und erzähle dir davon, dass ich nichts auf die Reihe bekomme. Und wie geht’s dir so?“ Das willst du nicht sagen. Auch wenn du weißt, dass es eigentlich so ist. Aber es auszusprechen klingt dann doch zu armselig. Also kein Anruf. Und was machst du stattdessen? Schließlich hast du jetzt drüber nachgedacht, was eigentlich los ist und jetzt lässt es sich nicht mehr unbekümmert rumhängen. Jetzt setzt das Gefühl von Nutzlosigkeit ein und die ewige Frage: Was macht du hier eigentlich?
Sind deine Pläne nicht eigentlich ganz andere? Hast du dir nicht andere Sachen vorgenommen, voller Vorfreude auf das Ergebnis, von dem du in deinem Köpfchen träumst? Aber wenn du weiter auf deinem Sofa sitzen bleibst und Katzenvideos guckst, wirst du nicht das erreichen, wovon du träumst. Ich sag dir das jetzt einfach mal so. Weil es sich scheinbar sonst keiner traut dir zu sagen. Kriegt deinen Arsch hoch. Hör auf so zu tun, als hättest du alles das erreicht, was du schon immer haben wolltest. Fang an deinen Träumen hinterher zu jagen anstatt ihnen hinterher zu trauern. Niemand, ja wirklich niemand, wird deine Welt für dich retten. Das musst du selbst tun. Du musst das machen, was du willst und nicht nur darauf hoffen, dass alle gut finden, was du mal überlegt hast zu tun. Das reicht nämlich nicht. Du musst nichts tun, nur weil es andere glücklich macht. Aber du solltest alles tun, damit du glücklich bist. Und du kannst mir nicht erzählen, dass du in diesem Zustand dienstags um halb vier glücklich bist. Sei ehrlich zu dir. Sonst bin ich es für dich.

Dein Ich.

Kommentare

Mürri hat gesagt…
Über diesen Anruf würde ich mich total freuen. Direkt, nachdem ich verstanden hätte, dass es kein Witz ist :D *drück*
Wünsche dir ganz viel Sonnenscheinmut ins große Herz!

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