Im Affekt!
Als ich zur Schule ging, kam es zu
einer Auseinandersetzung zwischen zwei Klassenkameraden, bei der der
eine mit einem Gegenstand auf den Kopf des anderen
einschlug. Das Entsetzen war groß und zog eine Menge Konferenzen
nach sich, aber noch bevor dem Schlagenden irgendein Vorwurf gemacht
werden konnte, rief er – in meiner Erinnerung beide Hände
abwehrend in die Luft streckend: „Das war im Affekt!“
Da hatte jemand ein schlaues Wort
aufgegriffen und gleich mal angewendet. Denn es bedeutet, dass er
nicht nachdenkend gehandelt hat, sondern aus einem erregten
Gemütszustand heraus und deswegen nicht unbedingt im vollen Maßen
bestraft werden kann.
Diese Rechtfertigung ist mir sehr ins
Hirn gebrannt. Es klang so, als ob damit alles entschuldigt sei. Aber
ist es da?
Können wir uns (jetzt mal fernab von
großen juristischen Fragen) damit rechtfertigen, dass wir „im
Affekt reagiert haben“? Dass uns die Emotionen überrannt haben und
wir keinen „kühlen Kopf“ bewahren konnten? Dass wir nicht die
Klappe halten konnten? Sind wir frei von Schuld, wenn wir die
Kontrolle verlieren?
Ich glaube nicht.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn
die Worte aus einem schneller herausbrechen, als man sie
kontrollieren kann und man, noch während der Klang der Stimme im
Raum verhallt, ganz genau weiß, dass man mit diesen Worten Schlimmes
angerichtet hat.
Ich weiß aber auch, wie es sich
anfühlt, wenn diese Wut, Trauer oder welche Emotion auch immer, im
Herzen hochkriecht und alles gefangen nimmt, jedes Wort plötzlich in
einem anderen Licht darstellt und schon die kleinste Kleinigkeit das
Fass plötzlich zum überlaufen bringen kann.
Und ich weiß, dass ich dieser Emotion
entgegen treten kann, BEVOR sie alles einnimmt.
Was in solchen Momenten oft fehlt, ist
Geduld. Mit dem Gegenüber, mit sich selbst, mit der Gesamtsituation.
Es ist eine Kunst, die wirklich nicht leicht zu erlernen ist, sich
selbst im Griff zu haben. Nicht, um immer alles wegzulächeln,
sondern um weise vorzugehen. Um Konflikte zu lösen, anstatt Öl ins
Feuer zu gießen. Und natürlich werden diese Gefühle in dir sagen:
Nein! Du kannst uns nicht kontrollieren! Wir müssen hier raus! Aber
ich lerne immer mehr, dass es meistens nicht viel bringt, aus der
(negativen) Emotion heraus zu agieren. Denn oft sind diese
(aufbrausenden) Emotionen nicht der Kern des Problems. Der Kern ist
oftmals viel ruhiger weil eingeschüchtert und verletzter, als dass
er große Wellen schlägt. Ihn zu finden ist die Lösung. Und nicht
mit all den wilden Emotionen „im Affekt“ um sich zu werfen.
Ich will lernen, mich von diesen wilden
Emotionen (ob nun meine eigenen oder die der anderen), nicht mehr
einschüchtern und provozieren zu lassen, sondern den Kern zu finden.
Dazu das nächste Mal mehr!
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Dieser Text gehört zu einer kleinen Serie unter dem Motto #herbstgefühle aus dem Oktober 2015.
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