Novembernacht.

Sie saßen nebeneinander auf den kalten Stufen vor dem Haus. Sie sahen sich nicht an, sondern starrten beide auf den aufgesprungenen Asphalt, der sich vor ihnen erstreckte. Es war so kahl und kalt geworden, dass noch nicht mal das Unkraut aus den Rissen hervorschaute. Sie saßen so nah beieinander, dass sich ihre Beine berührten und sie die Körperwärme des anderen in dieser kalten Novembernacht spüren konnten. Eine ganze Weile schon hatte niemand mehr ein Wort gesagt und jeder hing seinen Gedanken nach und keiner wusste, dass sie dasselbe dachten. Jeder dachte daran, wie es gewesen wäre, wenn sie sich damals für einen anderen Weg entschieden hätten. Ein anderes Wort, ein anderer Blick, ein anderer Ort. Alles hätte gemeinsam sein können. Sie hätten zusammen die Welt erobert und ihre Herzen. Sie hätten gelacht, geweint, verstanden, gestritten, gelebt. Zusammen. Jetzt waren Jahre vergangen, in denen jeder sein eigenes Leben versucht hatte zu leben. Mit anderen Menschen, an anderen Orten. Mit anderen Entscheidungen und anderen Sichtweisen. Keines dieser beiden Leben war leer oder unerfüllt. Es war nur anders. Anders als es hätte sein können. Keiner sagte, dass es funktioniert hätte, dass sie nun glücklicher wären, wenn sich ihre Wege nicht getrennt hätten. Aber jedem der beiden Herzen gab der Gedanke einen Stich.
Ohne sich anzuschauen streckte er seine Hand aus und sie legte die ihre hinein. Er umfasste sie, vorsichtig und dennoch sehnsüchtig und sagte dann in die Stille der Nacht: „In einer parallelen Wirklichkeit wäre ich jetzt bei dir. Für immer.“

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Adventszeit

Gestalten im Nebel

Begegnungen mit dem Leben.