Die Kunst, sich selbst nicht länger was vorzumachen.
Tausend Sachen
gleichzeitig zu machen scheint heute manchmal Grundvoraussetzung für
ein erfolgreiches Leben zu sein. Diese Fähigkeit nennt sich
„Multitasking“ und wird sehr gerne dem weiblichen Geschöpf
zugeschrieben. Vermutlich, weil es, sobald ein Kind im Spiel ist,
einfach gezwungenermaßen immer ein Auge auf dasselbige haben muss
und trotzdem noch den Rest des Lebens auf die Reihe bekommen will.
Aber auch ganz ohne Kind, macht man so einiges gleichzeitig und fühlt
sich dabei vielleicht noch besonders effizient.
Ja, manche Dinge mache ich
gerne eher „doppelgleisig“. In fast allen alltäglichen
Tätigkeiten, lasse ich gerne Musik im Hintergrund laufen. Und auch
bei langen Autofahrten bin ich ein Freund von Hörbüchern. Und
natürlich erwische ich mich dabei, wie ich nebenher beim Film gucken
schnell eine Whatsapp-Nachricht beantworte.
Und da fangen die Probleme
an: Letztens habe ich deswegen eine wichtige Schlüsselszene verpasst
und musste zurückspulen, um die Geschichte noch zu verstehen. Wenn
es beim Autofahren kompliziert wird, hört mein Gehirn dem Hörspiel
nicht mehr zu. Wenn ich aufräume, kann ich keine Musik hören, bei
der ich mich auf unbekannte Texte konzentrieren muss. Und wenn ich am
Laptop arbeite, brauche ich manchmal Stunden (!) länger für meine
eigentliches Vorhaben, weil ich nebenher noch Mails checke, das Handy
vibriert und ich doch schon immer mal nachgucken wollte, wie oft
Kaninchen im Jahr eigentlich ihr Fell wechseln.
Da wird das „Multitasking“
zum absoluten Ablenkungsmanöver. Das Hirn konzentriert sich nicht
mehr lange genug auf eine Sache. Und mein Hirn steht scheinbar auch
darauf, sich ständig abzulenken und lieber tausend Sachen
gleichzeitig zu wuseln, anstatt mal etwas zu Ende zu bringen.
Und auch das fällt mir auf: Sachen, bei denen ich nur diese eine Tätigkeit ausüben kann und maximal nebenher „nur“ denken kann, scheinen furchtbar unattraktiv. Lesen zum Beispiel. Und zwar nicht die kurzen Internetartikel. Sondern Bücher. Beim Lesen kann ich nichts anderes machen, als zu lesen, die Geschichte in mich aufzunehmen und darüber nachzudenken. Grundsätzlich toll. Für mein Hirn nicht die erste Wahl, weil so langwierig. Gestern habe ich seit langem mal wieder Geige gespielt. Dabei ist mein ganzes Wesen auf das Instrument, die Tonabfolge und Handgriffe konzentriert. Ich kann dabei an nicht viel anderes denken und meine Hände sind offensichtlich zu voll, um noch das Handy im Griff zu haben.
Dabei finde ich es
eigentlich unglaublich entspannend, zu lesen, Geige zu spielen oder
einfach nur mal an Stück zu schreiben ohne tausend Unterbrechungen
und dadurch viel Zeitaufwand. Es stellt mich zufriedener, eine Sache
voll und ganz zu machen und fertig zu bringen, als tausend
angefangene Enden in der Hand zu haben und am Ende des Tages nichts
wirklich erreicht zu haben.
Durch „Das Experiment2015 – 7 Wochen ohne Multitasking“ von der Autorin Kerstin Hack
und Gespräche mit einer guten Freundin bin ich auf diese Thema
aufmerksam geworden und einmal die Augen geöffnet, stolpere ich nun
ständig über meine Unfähigkeit, nur eine Sache zu machen. Ich will
es lernen, will es genießen, mich für eine Zeit nur auf eines zu
konzentrieren und damit auch das Leben bewusster wahrzunehmen.
Es ist die Kunst, sich selbst nicht länger vorzumachen, das Multitasking besonders gesund, effektiv und effizient sei, sondern eigentlich nur hinderlich ist.
Es ist die Kunst, sich selbst nicht länger vorzumachen, das Multitasking besonders gesund, effektiv und effizient sei, sondern eigentlich nur hinderlich ist.
Kommentare
2.) Im Durchschnitt sind es tatsächlich die Frauen, die scheinbar das Talent haben, alles gleichzeitig zu tun. Das sieht aus wie multitasking, ist in Wirklichkeit aber ein schneller Wechsel vieler verschiedener Tätigkeiten. Also "gleichzeitig" im Sinne von "innerhalb einer bestimmte Zeitspanne", nicht jedoch "Zeitgleich".
3) es ist schon faszinierend, was unser Gehirn kann oder auch NICHT kann. Versuch einmal ein Bild zu malen und dabei zu erzählen, was du gerade malst. ES IST UNMÖGLICH! Da kommen sich die Gehirnhälften gegenseitig in die Quere. Sprachzentrum vs. Kreativzentrum. Nur einer kann gewinnen. :-)