Das Weihnachtswunder

Ich bin in den letzten Tagen in Genuss dieses Textes einer Freundin (Janine H.) gekommen, den ich so schön fand, dass ich mir die Erlaubnis geholt habe, ihn hier zu posten. Eine kleine Weihnachtsgeschichte für die Feiertage aus einer fremden Feder sozusagen.. Viel Freude beim Lesen!

Das Weihnachtswunder

Der Dezember ist nun angebrochen und die ersten Gedanken an das Fest, das naht, werden gesponnen.
Wir erinnern uns an letztes Jahr und an die schönen Lieder. 
Meine Gedanken wandern schon zum „Winter Wonderland“, auf Schnee bedeckten Wegen lässt sich erkennen, wie sich die Rehe in der Ferne regen. Große Flocken, die vom Himmel fallen - untermalt mit leichtem Glockenklang. Auf dem nahen See zwischen weißen Zweigen sieht man ein Paar übers Eis gleiten und Hand in Hand Kreise fahren. Wir kommen in das Dorf, das glitzert und glänzt wie nie zuvor, mit Kerzen und Lichtern aller Art geschmückt. Die Atmosphäre unterstrichen von Glühweinduft und Lebkuchenzauber, links ein Kinderchor der „Oh du fröhliche“ singt und rechts die alte Dame mit ihren selbstgestrickten Winterkleidern. Man schaukelt und schwingt fröhlich durch den schönen Platz. Jeder lacht, jeder freut sich, Eltern mit Päckchen für das Kind und Tee für die Großeltern. Aufgeregte Kinderaugen überall.
Freude, Liebe und Familie überall zu spüren. Weihnachten erreicht alle.
So wandern meine Gedanken, wenn ich am fünften Dezember den ersten Schnee fallen sehe und mich frage, ob er wohl liegen bleibt.
Die Tage schreiten weiter und der Schnee liegt natürlich nicht mehr.
Bis zum 20. Dezember wird noch hart gearbeitet. Wir schleppen uns am frühen dunklen Morgen durch Schneematsch, Wind und kalten Nieselregen. Tag für Tag kaum Ruhe zum Atmen und immer was Neues zu tun. Wenn man denn nun endlich den 20. erreicht hat und der Urlaub beginnt, bleibt jedoch auch nicht mehr Zeit, das Haus wird geputzt und geschmückt, der Tannenbaum aufgestellt, Plätzchen gebacken, Geschenke gekauft und verpackt, der große Feiertagseinkauf und Post muss erledigt werden. Die Familie zum Essen einladen und den Nachbarn ein paar Kekse bringen.
So kennen wir das die Vorbereitungen nur allzu gut.
Was würde passieren, wenn wir Zeit zum Atmen hätten? Zum Nachdenken? Zum Verstehen?
Würden wir den Sinn in dem ganzen Tumult finden? Wenn wir nicht mehr wie auf Schienen den Weihnachtsstress ertragen?
Warum schenke wir überhaupt?
Ich habe es dann auch mal geschafft in ein paar freien Stunden durch die Stadt zu streifen und die vollgestopften blinkenden und flackernden Schaufenster zu mustern. Ich bin mir noch unsicher, ob ich überhaupt etwas verschenken soll. Für große Besonderheiten fehlt mir das nötige Kleingeld und den fünften Schoko-Nikolaus und das dritte Parfüm wollte ich dann auch nicht schenken.
Wenn man sich so fragt, was man schenken könnte, ist man schnell bei dem Gedanken
Was braucht er denn?“. Allein der Gedanke ist schön lächerlich.
Als würde man hier in der westlichen Moderne warten bis Weihnachten ist wenn man irgendetwas braucht, sei es eine Winterjacke, Stiefel, ein neues Gerät oder Parfüm. Lächerlich.
Was schenkt man jemandem, der alles hat?
In diesem Moment, als mir dieser Gedanke in den Sinn kam, fand ich die Antwort. Ich weiß es jetzt.
So oft habe ich dieses Fest gefeiert und sah nie einen Sinn darin außer Lebkuchen zu essen und Geschenke auszupacken und mich zu bedanken, auch wenn mir die Hälfte nicht mal gefällt, ich sage nur Socken!
Und der Streit, der unter den Teppich gekehrt wird, weil es Heiligabend ist. Das war alles.
Nie wäre ich auf die Idee gekommen, das Weihnachten mehr ist als Kommerz, Stress und Schulfrei.
Hier steh ich vor einen Handygeschäft, das neuste Telefon auf einen Podest umrandet mit bunten Lichtern und künstlichem Schnee. Darüber ein Schild mit großen Buchstaben und der Aufschrift:
Schenken Sie, was jeder braucht!“.
Ich bin wie gefesselt vor dem Schaufenster. Eine Mutter mit Kind läuft vorbei, das Kind schreit „Mama, aber ich will die neue Playstation, die ist so cool, die hat schon jeder in meiner Klasse, ich brauch sie unbedingt, sonst kann ich nie mehr in die Schule, Biiiiiitttteeee, Mama bitte, MAMA“. Die Mutter entgegnet nur trocken, er solle seinen Vater damit nerven, falls er an Heiligabend da ist, er wüsste sicher eine Lösung.
Die kleine Nervensäge kann mich kaum von meinem Gedanken abbringen. Ich bin fasziniert. Ich weiß nicht ob ich lachen soll oder weinen, lachen weil ich die Antwort habe und weiß, was der Grund ist oder weinen weil ich es jetzt erst verstanden habe, und immer noch kein Geschenk hab und mich der Verkäufer sehr seltsam anschaut, weil sich plötzlich eine komische Mischung aus beidem in meinem Gesicht zeigt.
Was braucht denn jeder Mensch? Ich laufe zurück, einen anderen Weg als zuvor. Auf dem Marktplatz ist Weihnachtsmarkt.
Ich schaue mich um, es ist Nachmittag aber schon dunkel, wie üblich um die Weihnachtszeit. Die Dunkelheit ist bedrückend, die Kälte ätzend. Ich komme Zuhause an, mache mir einen Tee und lese den Brief einer guten Freundin. Nachdem ich meine Gedanken nach dem ereignisreichen Tag sortiere, komme ich zu einem Schluss.
Ich weiß nun, was jeder Mensch braucht und was man ihm zu Weihnachten schenken sollte.
Das eindeutigste ist Licht. Warum feiert man in der Dunkelsten Zeit im Jahr ein Fest? Wir zünden Kerzen an und wollen gemeinsam die Feiertage genießen. Der Mensch braucht Licht. Er braucht Wärme in der kalten Zeit.
Als das Kind heute in der Stadt die Antwort der Mutter vernahm, war es still. Ich sah es nicht, aber ich könnte schwören, es hatte ein Träne im Auge. Sein Vater würde an dem Tag nicht da sein, vielleicht war er das auch noch nie. Vermutlich werden die beiden am Heiligabend, nach dem üblichen Programm, jeder in seinem Zimmer sein und sich mit Tränen in den Augen fragen, warum es dieses Fest überhaupt gibt. Jedes Jahr kommt der selbe Schmerz der Einsamkeit. Da hilft die schöne Coca Cola Werbung, die uns den Zauber der Weihnacht zeigt auch nicht mehr.
Man braucht Liebe und Gesellschaft von anderen.
Manch einer wünscht sich ein Weihnachtswunder doch hat den Glauben daran verloren.
Das brauchen wir auch, Wunder. Wir sollten Wunder schenken.
Ich glaube der Junge hätte die 500€ teure Konsole direkt in die Ecke geworfen, wenn sein Vater in der Tür stünde.
Es wäre ihm ega,l wenn er seinen Papa vielleicht nur ein mal umarmen könnte.
Liebe, Annahme, Vergebung, Herzlichkeit.
Wo kann ich das kaufen und verpacken in Papier mit vielen Sternen drauf. Nirgendwo.
Es fängt an zu schneien. Ich denke noch Tage lang darüber nach.
Ich hab immer noch keine Geschenke.
Es ist Heiligabend aber noch morgens, ich konnte kaum schlafen diese Nacht.
Warum man Morgens um Neun Uhr schon Abend zu einem Tag sagt versteh ich bis heute nicht.
Klingt so als hätte man die Hoffnung schon aufgegeben.
Ich möchte nicht aufstehen, ich hab keine Lust auf die „Alle Jahre wieder“-Parade. Ich stecke immer noch in dem Problem fest, dass ich zwar weiß, was der Mensch braucht, aber keine Ahnung hab, wo ich das herbekomme.
Auf Amazon kann man Milch bestellen aber keine Liebe.
Der Sinn von Weihnachten, Liebe, Freude, Frieden, Hoffnung, Gemeinschaft, Herzlichkeit und Wärme für alle Menschen.
Ich alleine kann es nicht.
JA, das ist es. ICH alleine kann es nicht. Aber wir alle können es.
Wenn jeder verstehen würde, warum wir Weihnachten feiern. Wenn wir das Licht zu jedem tragen würden.
Zusammen können wir es schaffen, das Weihnachtswunder war werden.
Ich werde es jedem erzählen: „Heute scheint ein Licht für dich“!
Ich möchte ein lächeln, auf dein Gesicht zaubern, eine Freundenträne in deine Auge, Wärme in dein Herz und Hoffnung in deine Gedanken.
Vielleicht habe ich kein Geld und kann nicht backen oder basteln, aber ich kann dir sagen, dass heute ein Licht für dich scheint, dass ich an dich denke und dass keine Tat, die wir aus Liebe tut, vergebens ist.
Geh raus und scheine.

An diesem Nachmittag klingelt es an meiner Tür.
Ich habe meine Erkenntnis zu Weihnachten gerade in einen Text verfasst und in einen Umschlag gesteckt. Er sollte gerade in die Kiste mit Briefen, die an dich adressiert sind, die du leider nie lesen wirst. Ich sehe beim falten das dass „PS.: Ich vermisse dich sehr“ noch nicht trocken ist und beschließe, den Brief noch einen Moment liegen zu lassen und erst zur Tür zugehen.
Ich wische mir schnell die Tränen aus dem Gesicht und öffne mit einem freundlichen Lächeln die Tür.
Ich war zuerst etwas verdutzt aber nicht erschrocken. Da stand er.
Wunderschöne weihnachtliche Klänge erfüllen meinen Flur.
Eine Gruppe von Kindern steht vor meiner Tür und singt mit Flöten und Akkordion die schönsten Weihnachtsstrophen, die man auf dieser Welt gedichtet hat. Es ist zwar kein Glockenklang, aber die stahlenden Kinderaugen erfüllen meine Erwartungen an weihnachtlicher Atmosphäre in dieses Jahr schon vollkommen. Du müsstest dabei sein.
Da steht er direkt vor meiner Nase unter den ganzen Kindern. Der Junge aus der Stadt. Er singt, es scheint ihm Spaß zu machen, er sieht zufrieden aus.
Sie sind fertig mit singen und möchten nun eine kleine Anerkennung dafür. Einer, der etwas älter ist als alle anderen, versucht mir zu erklären, für was sie das machen und so. Ich höre nicht zu. Ich sehe wohl gerade genauso aus wie letztens vor dem Handygeschäft, das erklärt vielleicht der verwirrte Blick und das leicht nervöse Stottern des erklärenden Jugendlichen links neben dem Jungen aus der Stadt .
Er schaut mit leicht gesenktem Blick auf meine Schuhe neben der Tür. Seine Augen, so traurig , jetzt wo er nicht mehr singt.
Ich drehe mich um und gehe in die Küche um Süßigkeiten und ein bisschen Geld für was weiß ich was zu geben. Ich weiß nicht mal, ob der Jugendliche ausgesprochen hat.
Ich stehe in der Küche, meine selbst zusammengestellte Weihnachtsmusik CD spielt gerade das fünfte Lied an.
Mir stockt der Atem. Das ist doch.. ja ich erkenne es, die Melodie, eindeutig. Es läuft „This little light of mine“.
Ich erinnere mich an meine Erkenntnis zum Fest und vor meinen Augen stehe ich wieder vor dem Handyladen, wo mich der Verkäufer seltsam ansieht und der Junge vorbei läuft.
Ich erinnere mich an das Licht.
Ich nehme einen Notizzettel schreibe „Schöne Stimme, deine Eltern müssen sehr stolz sein, auch dein Papa“ dazu noch etwas kleiner in der Ecke „Sei ein Licht“.
Zurück an der Tür drückte ich dem Jungen den Zettel mit einem Teelicht in die Hand so das man den Zettel nicht direkt sehen konnte. Nebenbei warf ich dem jugendlichen Sprecher der Truppe ein Beutel Süßigkeiten und etwas Geld zu.
Der Junge sah den Zettel erst, als er schon auf der Treppe stand. Schlagartig waren seine Augen mit Tränen gefüllt. Er drehte sich um schaute fast so verwirrt wie der Verkäufer im Handygeschäft, aber hatte dann ein Lächeln in den Augen, das sich zum Mund durch kämpfte. Der Jugendliche ruft ihn, er soll endlich kommen. Er winkt und verschwindet mit der Gruppe im dunklen Nachmittag.

Das war mein Weihnachtswunder. 

Text von: Janine Haßdenteufel 

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